Hallo ihr alle,
die ihr begierig danach seid, fremde Kulturen zu erleben
und gleichzeitig etwas Gutes für die ärmsten Menschen der Welt zu tun. Ich
möchte euren Informationsdurst stillen, indem ich euch von meiner Arbeit und
meinen Erlebnissen in Bolivien erzähle. Kurz zu meiner Person: Ich komme aus
München, bin Mitte zwanzig und studiere Soziale Arbeit. Ich wollte mein sechsmonatiges
Praxissemester unbedingt in Lateinamerika verbringen und mir wurde von
Bekannten Proyecto Horizonte empfohlen.
Die
Einrichtung
Proyecto Horizonte befindet sich auf den Hügeln vor
Cochabamba, an deren Hängen früher Bergbau betrieben würde. Heute sind die
Mienen stillgelegt, aber die Menschen sind dort geblieben und leben unter
schwierigen Verhältnissen. Das Klima ist sehr trocken und windig. Es gibt keine
Wasserversorgung, so wie wir sie aus Deutschland kennen, sondern es fahren riesige
Wassertanker in die Siedlung und füllen Kanister auf den Dächern der Häuser
auf. Die Menschen in Mineros San Juan haben daher nur eingeschränktem Zugang zu
sauberen Wasser.
Viele von
ihnen finden zudem keine Arbeit und verfügen über keinen Schulabschluss. Manche
versuchen durch kriminelle Aktivitäten über die Runden zu kommen und die Furcht
vor Diebstählen ist allgegenwärtig: Fast alle Häuser in Mineros San Juan sind
von einer Mauer mit Stacheldraht oder eingemauerten Scherben eingezäunt. Proyecto
Horizonte versucht die Lebensumstände dieses Ortes durch umfassende Bildungsangebote
und humanitäre Dienstleistungen zu verbessern. Neben Kindergarten, Schule,
Abendschule für Erwachsene und
Gesundheitsdiensten werden vor Ort zahlreiche Bildungsmaßnahmen, Kampagnen und Freizeitangebote
organisiert und die Bürger umfassend an der Entwicklungshilfe beteiligt. Der
Großteil der Mitarbeiter sind Bolivianer, die sich mit großem Engagement und
vielen kreativen Ideen für die Verbesserung des belastenden Ortes einsetzen. Um
mit ihnen zusammen arbeiten zu können, aber auch um eigene Projekte in die Tat umzusetzen,
ist es unabdingbar Spanisch zu lernen. Es besteht zwar auch die Möglichkeit vor
Ort Spanischunterricht zu nehmen, aber es wird euch sehr viel leichter fallen,
wenn ihr in Deutschland bereits einen oder am besten mehrere Sprachkurse
absolviert habt. Nur die wenigsten Leute sind des Englischen mächtig, aber
dafür sprechen sie im Vergleich zu anderen Regionen Lateinamerikas klar
verständliches Spanisch.
Cochabamba
und Umgebung
Diejenigen von euch, die ich durch meine Beschreibung
von Mineros San Juan abgeschreckt habe, möchte ich an dieser Stelle zurück ins
Boot holen. Die Wohnungen in der Innenstadt von Cochabamba sind für deutsche
Verhältnisse riesengroß und supergünstig. Dort gibt es (fast) immer fließendes
Wasser, Strom, unter Umständen auch WLAN und es ist bei Einhaltung von
Sicherungsmaßnahmen auch weitgehend diebstahlsicher.
Mineros San Juan
Innenstadt Cochabamba
Das Land ist sehr
vielfältig. Die Andengipfel neben der Stadt laden zum Bergsteigen ein, mit dem
Bus kann man innerhalb von ein paar Stunden wunderschöne Nationalparks besuchen
und auch der Regenwald ist innerhalb kurzer Zeit erreichbar.
Eigene
Erlebnisse
Die Aufnahme meines Praktikums verlief unkompliziert.
Meine E-Mails wurden zügig beantwortet und ich erhielt alle notwendigen
Informationen. Auch die notwendigen Anforderungen meiner Universität zur
Anerkennung der Praktikumsstelle bereiteten keine Probleme. Ich wurde sehr freundlich
von den Mitarbeitern aufgenommen und bereits am ersten Tag meiner Ankunft zu
gemeinschaftlichen Tätigkeiten nach Feierabend eingeladen.
Dennoch war die Anfangszeit sehr schwierig für mich,
da ich große Probleme damit hatte die Leute zu verstehen und es auch keine
Aufgaben im Proyecto Horizonte gab, die nur darauf warteten von mir erfüllt zu
werden. In den ersten zwei Wochen kam es öfter mal vor, dass ich nichts zu tun
hatte, mich nutzlos fühlte und an mir zweifelte. Sollte es euch genauso gehen
wie mir, kann ich euch nur raten, habt Geduld und hört nicht auf zu kämpfen.
Nutzt die freie Zeit zum Spanisch lernen, denn mit dem erweiterten Sprachverständnis
öffnet sich auch der Blick für neue Aufgaben. Meine Ohren brauchten Zeit, um
sich auf die ungewohnten Silben einzustellen. Am Anfang verstand ich nur einzelne
Worte, dann wurden daraus einfache Sätze, die sich aus dem Sinnzusammenhang ergeben,
und nach sechs Wochen konnte ich
erste Unterhaltungen mit Tiefgang führen.
Mittlerweile muss ich eher darauf achten, dass mir
die Arbeit nicht zu viel wird. Die Zeit fliegt nur so dahin und ich muss
schauen, dass ich meine Projektideen alle unter einen Hut bekomme. Deswegen
empfehle ich, euch bereits daheim in Deutschland zu überlegen, welche Ideen ihr
habt und wie ihr sie umsetzen könnt, und dass mit den Mitarbeitern bereits im
Vorfeld zu kommunizieren. Die Mitarbeiter von Proyecto Horizonte sind sehr
offen für eure Ideen und Vorschläge, allerdings müsst ihr den Großteil der Arbeit
dann auch alleine stemmen. Ich möchte ermutigen genau das zu tun. Ihr werdet
kein Geld und nur wenig Anerkennung für eure Arbeit hier bekommen. Aber wenn ich
zum Beispiel sehe, mit welcher Begeisterung ein sechsjähriger Junge in total
verschmutzen Kleidern und abgerissenen Badelatschen Fußball spielt und meinte,
er möchte weiter trainieren, während die anderen Kinder Pause machen, geht mir
das Herz auf. Nirgendwo sieht man den Wert der Arbeit deutlicher als im Lächeln
der Kinder. Vor allem wenn der Horizont düster und voller Schatten ist, braucht
es Menschen, die einem den Weg zum Licht zeigen. Es sind nicht nur die Menschen
aus Mineros San Juan, die mich brauchen, ich brauche sie auch.
No comments:
Post a Comment